Hier nun ein Überblick über die Geschichte unserer Zeitberechnung

Es gibt seit alter Zeit ein zyklisches Erfahren der Zeit, denn nach einer Weile wiederholen sich immer wieder mehr oder weniger regelmäßig bestimmte Erfahrungen der Menschen, vor allem bei der Beobachtung des Wetters und der Himmelskörper: Für jedes Kind bei uns sind schon erfahrbar; Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

In der Landwirtschaft ist es wichtig, die Zeiten der Aussaat richtig zu erkenne, damit dann die Ernte auch möglich wird. Dafür brauchten sie angesichts von Wetterkapriolen einen Kalender.

Allen Menschen erfahrbar ist auch der Zyklus eines Menschenlebens mit Zeugung, Geburt, Kindheit, Jugend, Arbeitsleben, Familiengründung, Kinder, Enkeln, Alter, Sterben und Tod. Mit jedem Kind beginnt ein neuer Zyklus. Wir feiern unsere Geburtstage.

Dazu kennen wir den jährlichen Zyklus der Feste, staatlicher wie religiöser. Auch das ist uralt und oft verbunden mit Aussaat und Ernte sowie besonderen Himmelserscheinungen, wie oberhalb des Wendekreises die Tag- und Nachtgleichen im Frühjahr und Herbst oder die längsten Tage bzw. längsten Nächte.

Viel weniger bedacht wird heute eine Betrachtung der Zeit von einem Anfang hin zu einem Ende führend, die Zeit als etwas von Gott Geschaffenes, das wie alles Geschaffene, wie wir Menschen und die Menschheit als Ganze, einmal ein Ende haben wird und dann in einen neuen Zustand gelangt. So errechneten viele schon seit alter Zeit das Alter der Welt anhand der Zahlen von Lebensaltern, die in der Bibel genannt werden, und zählten die Jahre seit der Erschaffung der Welt.

Im Mittelalter war es wie in der Weltchronik von Herrmann Schede, erschienen 1493 in Nürnberg, üblich, die Geschichte der Welt in Weltaltern darzustellen:

Erstes Weltalter: von der Erschaffung der Welt bis zur Sintflut
Zweites Weltalter: bis zur Geburt Abrahams
Drittes Weltalter: bis zum Reich König Davids
Viertes Weltalter: bis zum Babylonischen Exil
Fünftes Weltalter: bis zur Geburt Christi
Sechstes Weltalter: Geburt Christi bis 1493
Siebentes Weltalter: Ausblick auf den Weltuntergang und das Jüngste Gericht18

Die Beschreibung der Weltalter 1 bis 5 dürften dem Alten Testament entnommen sein, das des
7. Weltalters der Offenbarung der Johannes im Neuen Testament entsprechen. Doch sind dies keine Chroniken nach heutigem Verständnis, sonst hätte das Siebente Weltalter nicht folgen können. Für Historiker interessant ist nur die Beschreibung des 6. Weltalters.

Damals war es nicht so wichtig, sich auf einen bestimmten Ablauf der Zeit und Kalender zu einigen, denn was davon für tägliche Absprachen wichtig war, um gemeinsame Treffen oder Geschäfte abzusprechen, vollzog sich zum allergrößten Teil im jeweiligen Kulturkreis. So differierten die verschiedenen Zeitrechnungen auch unter Christen wie unter Juden und anderen Völkern und dies bis heute bei den christlichen Kirchen.

Das gradlinige-kontinuierliche, aus der Vergangenheit kommende und über die Gegenwart in die Zukunft gehende Zeitverständnis, das in der Physik bis zu Einsteins Relativitätstheorie zugrunde gelegt wurde und das wir heute zumeist als universell unterstellen, ist jedoch „ein westliches Kulturprodukt“.19 Bis zu unserem heute genutzten Kalender, der dazu weltweit trotz anderer traditioneller, oft sehr alter und in der Landwirtschaft nützlicher Kalendersysteme anerkannt wird , war es ein langer Weg, der in der folgenden Übersicht dargestellt wird:

 

Seit Jahrhunderten vor Christi Geburt

Angabe von Herrscherjahren in Bezug zu der Regierungszeit eines anderen oder mehrerer anderer Könige, z.B. in den Königsbüchern der Bibel

 

Zählung der Jahre einer Ära, so im Osten des Römischen Reiches nach der Seleukidischen Ära (312 v. Chr.), während im Westen nach der Gründung der Stadt Rom 753 v. Chr. ; bzw. nach der Regierungszeit von Konsulen (bis ins 6. Jhd.). Daneben gab es weiterhin die Zählung nach den Regierungsjahren von Herrschern und falls von der Welterschaffung ausgegangen wurde, unterschiedliche Berechnungen dieser.

Gegenüber dieser Unsicherheit war die Geburt Christi ein verlässliches und berechenbares Datum; in ihr, so schien es, konnte der Zeitlauf eine natürliche Mitte, seinen Anker finden.“20

153 v. Chr.

Der Jahresbeginn wird im Römischen Reich auf den 1. Januar verschoben, ursprünglich war er im alten Römischen Kalender am 1. März

45 vor Chr.

Der Julianischer Kalender – benannt nach Julius Caesar wird von diesem in Kraft gesetzt. Er hat 12 Monate, 365 Tage, alle 4 Jahre ein Schaltjahr. Dieser Kalender wird heute auch für die Zeit vor Caesar verwendet.21

In jener Zeit lag die Wintersonnenwende auf dem 25. Dezember und die Sommersonnenwende auf dem 24. Juni.22

221

Sextus Julius Africanus schrieb vermutlich als erster eine christliche Weltchronik. Er nennt neben Ereignissen der jüdisch-christlichen Geschichte solche der griechisch-römischen. „Das Werk wurde in späterer Zeit oft herangezogen und stellt einen wichtigen Beitrag zur Zeitrechnung dar, da in der Chronik Olympiaden und Herrscherlisten verarbeitet wurden.“23

ca. 230

Der römische Presbyter Hippolyt (gest. 235) erwähnte als erster die Festlegung der Geburt Jesu auf den 25. Dezember. (Die Wintersonnenwende fand in dieser Zeit schon am 21. Dezember statt.)24

325

Das Konzil von Nicäa beendet den Streit um das Datum des Osterfestes. Es wird beschlossen, es auf den ersten Sonntag, der dem Frühlingsbeginn und dem jüdischen Pessachfest folgt, zu feiern.25

336

Durch den römischen Historikers Furius Dionysius Filocalus wird im Jahr 354 erstmalig eine Feier des Weihnachtsfestes im Abendland am 25.12.336 erwähnt.26

358

Hiliel II. errechnet in Rom den noch heute gültigen jüdischen Kalender und begann mit der Schöpfung, die er auf das Jahr 3761 vor Chr. datierte (laut Hai Gaon in Babylonien, gest. 1038)27

ca. ab 4. Jhdt

Im Osten des Römischen Reiches war der 1. September als Tag der Schöpfung Jahresanfang. So war er es auch im Byzantinisches Reich, in Russland von der Mitte des 13. Jahrhunderts an bis 1701, und bis heute im Georgischen Kalender 28
Im Oströmischen Reich wurden die Jahre ab der Schöpfung gerechnet,(nach Angaben in der Septuaginta 5501 v. Chr. oder 5508 v. Chr.) - Diese Zählung hielt sich in Russland bis 1699.29

um 450

Victorius von Aquitanien berechnet im Auftrag des Papstes die Ostertafel und datiert die Jahre ab Jesu Kreuzigung. 30

525

Berechnung des Osterzyklus durch Dionysius Exiguus: Erstmalig werden durch Exiguus die zurückliegenden Jahre nach dem Jahr der Inkarnation des Herrn gezählt. Für ihn ist der Jahresanfang der 25. März (Mariä Verkündigung), der in Deutschland bis ins 13. Jahrhundert verbreitet war, in Florenz und Pisa von der Renaissance bis 1749, in Schottland bis 1600, in England bis 1752.31

um 600

Papst Gregor der Große berechnet das Datum der Erschaffung der Erde mit 5184 Jahren bis zur Auferstehung Jesu Christi

ca. 731

Beda Venerabilis in England verwendet erstmals die Zählung des Exiguus für sein chronistisches Werk, seitdem verbreitet sich diese Zählung im Fränkischen Reich.

Auch war er der erste, der ein Ereignis, den Besuch Caesars 60 v. Chr. in England im Blick auf Jesu Geburt („ante vero Incarnationis Dominicae tempus anno sexagesimo) datierte. Es ist „die erste Rückwärtsdatierung der Weltgeschichte “ - ( retrospektive Inkarnationsära)32

1054

Hermann von Reichenau datierte in seinem Werk Chronicon erstmals alle Jahresangaben seiner Weltchronik ausschließlich in Bezug zum Jahr der Geburt Christi33

1060

Die christliche Zeitrechnung wird von der Römischen Kirche offiziell übernommen34

1202

Leonardo Fibonacci, ein Mathematiker, der in Algier mit den arabisch-indischen Zahlen inklusive der Null vertraut wurde, führte diese 1202 mit seinem Werk Liber abaci in Italien ein. Er spricht aber von 9 Zahlen und nennt die Null ein Zeichen. Die Verwendung der Null im praktischen Rechnen setzte sich erst im 17. Jahrhundert durch. 35

13./14. Jhdt.

Als Jahresanfang gilt der 25. Dezember (Weihnachten) in Deutschland, England und der Schweiz bis ins 16. Jahrhundert, in Spanien vom 14. bis 16. Jahrhundert.36

1300

Papst Bonifatius VIII. rief erstmalig ein Heiliges Jahr aus: Rompilgern wurde unter bestimmten Bedingung ein vollständiger Ablass ihrer Sünden versprochen, ursprünglich sollte alle 100 Jahre ein Heiliges Jahr stattfinden, später alle 25 Jahre s: https://de.wikipedia.org/wiki/Jubeljahr

1474

Der Kölner Werner Rolevinck erreichte mit seinem „Fasciculus Temporum“ ("Zeitbündel"), das von Erschaffung der Welt bis zur Gegenwart Ereignisse behandelte und indem er die retrospektive Datierung „v. Chr.“ verwendete, eine Auflage von 100.000 Exemplaren und sorgte so für eine Verbreitung dieser Zeitdatierung. Doch setzte sich dies in Europa erst im 17. Jahrhundert vollständig durch.37

1505

Der sehr gefragte italienische Astrologe Luca Gaurico (1476–1558) fügte die Null anstelle des Jahres 1 vor Christus in den Zeitstahl ein. Da er sich für Spiegelungen in der Chronologie interessierte, benötigte er das Jahr Null als Symmetriezentrum. 38

1582

Der Gregorianischer Kalender, der den Julianischen Kalender verbessert, aber auch komplizierter ist, wird durch Papst Gregor VIII. eingeführt. Dabei fielen 11 Tage weg: Heute besteht eine Differenz von 13 Tagen, die der Julianische Kalender hinter dem Gregorianischen „hinterher“ ist. Darum fällt das Weihnachtsfest in der Russisch-Orthodoxen Kirche heute auf den 7. Januar, da er noch im Gebrauch ist. Dort ist dann also noch Dezember.39

1583

Justus Scaliger (1540-1609) entwickelt die Julianische Tageszählung und die Julianische Periode (28 x19x15=7980 Jahre). „Als Jahr 1 der Julianischen Periode wählt er das Jahr 4713 v. Chr., weil in diesem Jahr alle drei Zyklen gleichzeitig einen neuen Durchlauf begannen.“40

1691

Papst Innozenz XII. (1615–1700) benutzt den 1. Januar als Jahresanfang in päpstlichen Schreiben.

ca. 1750

Jacques Cassini ( gest. 1759)41 macht die Null im Zeitstrahl durch seine astronomischen Tabellen bekannt.42

1884

Die Meridian-Konferenz legt Zeitzonen und die Datumsgrenze fest.43

1893

Für Deutschland wird eine einheitliche Uhrzeit festgelegt.44

Vorher galt die Ortszeit, die am täglichen Höchststand der Sonne gemessen wurde, später im Deutschen Reich die „Eisenbahnzeit“, die eingeführt wurde, um einen einheitlichen Fahrplan entwickeln zu können, wofür in Preußen u.a. Ländern die Berliner Zeit benutzt wurde.45

1924

Milutin Milanković entwickelte 1923 den Neujulianischen Kalender.46 Auf einem Kongress 1924 nahmen ihn alle beteiligten orthodoxen Kirchen an. Doch konnten wegen der Wirren der Revolution und der antikirchlichen Einstellung der neuen Regierung keine Vertreter de Russisch Orthodoxen Kirche daran teilnehmen, sodass in ihr bis heute der alte Julianische Kalender gilt. Aus Solidarität mit ihr zogen das Patriarchat von Jerusalem und z.B. die Serbisch-Orthodoxe Kirche ihre Zustimmung zu dem neuen Kalender wieder zurück, so dass er heute nur in in folgenden Kirchen /Ländern gilt: der Kirche von Konstantinopel, im Griechisch-Orthodoxes Patriarchat von Alexandrien und ganz Afrika, im Patriarchat von Antiochien, in der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche, der Kirche von Zypern, von Griechenland, der Orthodoxen Kirche in Amerika, der Rumänisch griechisch-katholischen Kirche und seit 1923 schon in der Finnisch Orthodoxen Kirche.

Sie alle haben also einen Kalender, der heutzutage unserem Gregorianischen entspricht. Gruppen, die sich wegen dieser Kalenderreform abspalteten werden Altkalendarier genannt.

Doch wird das Osterfest von allen orthodoxen Kirchen weiterhin nach dem julianischen Kalender gefeiert, um hierdurch ihre geistige Einheit zu bezeugen.

1978

UNO beschließt, dass international der Montag der erste Tag der Woche sein soll. In Deutschland ist dies schon seit 1976 nicht mehr der Sonntag.

1992

„Die ISO 8601 über Datums- und Zeitangaben – soweit sie rein numerisch sind, gilt nun auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie kennt ein Jahr 0000. Jahreszahlen werden nun immer vierstellig in der Datumsangabe geschrieben“ … „ISO 8601 sieht die Möglichkeit vor, den gregorianischen Kalender auch für die Zeit vor seiner Einführung am 15. Oktober 1582 anzuwenden, allerdings nur bei entsprechender Vereinbarung zwischen den Datenaustauschpartnern. In diesem proleptischen gregorianischen Kalender existiert im Gegensatz zum julianischen Kalender (siehe Jahr null) das Jahr mit der Bezeichnung „0000“, das ein Schaltjahr ist. In einer ausgedehnten Darstellung nach ISO 8601 entspricht in diesem Fall „–0001“ dem julianischen Jahr 2 v. Chr. usw.“47

 

Mit Sicherheit ist dies noch nicht das Ende unseres Nachdenkens über die Zeit und die Datierung von Ereignissen.

Für uns Christen ist der Zeitstrahl, wie er im Laufe der Jahrhunderte entwickelt wurde, seit seiner Verbreitung durch Walter Röwenicks Werk von 1474 Ausdruck dafür, dass Jesus Christus die Mitte der Zeit ist, der Angelpunkt, um den sie sich dreht. Durch die Menschwerdung Gottes in ihm, die Inkarnation, brach die Ewigkeit in die Zeit ein. Die Zeit bekam eine neue Qualität. Wie die Propheten des Alten Testaments und überhaupt das Alte Testament als Ganzes schon von den Verfassern des Neuen Testaments als eine Vorhersage auf Jesus hin verstanden wurde, so begann mit ihm eine neue Zeit, die Zeit der Verwirklichung des Verheißenen, des Vorhergesagtem.

Die Aufhebung der Macht des Todes durch Jesus, das von ihm verkündete Reich Gottes ließ aus der Senkrechten des gradlinigen Zeitstrahls, der die Generationen von einander trennt, weil die Zeit sich nur in eine Richtung bewegt, eine Waagerechte werden. Von schon seit Jahrhunderten Verstorbenen konnte Jesus reden wie von Lebenden und davon erzählen, dass sie alle im Reiche Gottes, zusammen mit den Jetzt-Lebenden und den Noch- nicht-Geborenen, den zukünftigen Generationen an einem Tisch sitzen werden.

Dies ist wohl der Grund dafür, dass sich diese schwierige Zeitrechnung, die auf dem gradlinigen Zeitstrahl die Jahre ab Jesus einerseits vorwärts und andererseits rückwärts zählt und so das Rechnen erschwert, weltweit durchgesetzt hat Auch wenn viele das heute nicht gerne zugeben und darum den Namen Christi ersetzen durch das neutrale Wort „(vor) unserer Zeit“ oder „(vor) unserer Zeitrechnung“, abgekürzt „v.u.Z.“ und „u.Z.“, ist das so und bleibt das Problem mit der Mitte der Zeit bestehen. Alle Versuche daran etwas zu ändern, sind nach wenigen Jahren gescheitert und wurden bald wieder abgeschafft, wie der französischen Revolutionskalender von 1791- 1805 48 und der Sowjetische Revolutionskalender von 1920 bis 194049.

Andererseits sind bis heute andere antike Kalender im Gebrauch einiger der ältesten Kirchen und gibt es Streit zwischen den Kirchen über die richtige Berechnung insbesondere der Feste und noch im 20. Jahrhundert dadurch bedingte Kirchenspaltungen.