Die Zählung von Jahren


Unsere oft verwendete Zählung von Jahren ist ungenau. Ein Beispiel: Ich habe von 1986 bis 1991 an der Humboldt-Universität gearbeitet. Das sind fünf Jahre und ist richtig. Es stimmt aber nur weil mein Arbeitsvertrag am 1. September 1986 begann und am 31.August 1991 endete. Hätte er am 1. Januar 1986 begonnen und bis zum 31. Dezember 1991 gedauert, wären es glatte 6 Jahre gewesen.

Wenn wir nun längere Zeiträume zusammenfassen wollen, gibt es zwei Möglichkeiten, unsere Jahre zu zählen und in gleichmäßigen Einheiten nach dem Dezimalsystem zusammenzufassen, die beide gebräuchlich sind:

1. - nach der ersten Ziffer, also zum Beispiel die 20er Jahre, 30er Jahre. Das sind dann immer 10. Ich beginne beim Zählen mit der 20, der 30... und die 100 gehört dann schon zu den Jahren 101, 102.., den „Nullerjahren“ des neuen Jahrhunderts. Nur bei der ersten Zehnergruppe, den Zahlen von 1-9 sind es nur 9 Zahlen, da die 10 ja schon zu den Zehnern dazugehört, also zu den zweistelligen Zahlen. Wenn ich auch in der ersten Gruppe 10 Zahlen haben möchte, muss ich die Null mitzählen, obwohl sie „Nichts“ bedeutet., ich sie also nicht auf Gegenstände beziehen kann, die ich zähle.

2. - zähle ich von 1 bis 10, von 11 bis 20, so dass die Null immer in Verbindung mit einer davorstehenden Zahl aufgetaucht. Dies benutzen wir, wenn wir zum Beispiel vom ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sprechen, dann sind das die Jahre von 1901 bis 1910. Bei Jahren handelt es sich nämlich um etwas Seiendes. Sie enthalten die 12 Monate und 365/366 Tage unseres Kalenders, in denen ganz viel geschehen ist. Ein Jahr ist also nicht ein Punkt auf einem langen Strich, sondern ein Intervall zwischen zwei Strichen auf einem langen Strich.

Nun werden aber die Jahre auf Zeitstreifen bei Darstellungen von vielen Jahrhunderten zum Teil als solche Striche mit den entsprechenden Ziffern dargestellt. Man nennt diese Striche auch „Zaunpfähle“, um sich vor dem sogenannten „Zaunpfahlfehler“ zu schützen und einen Zeitpunkt mit einem Zeitintervall zu verwechseln.5 Ein Strich auf einer Zeitleiste mit der Jahreszahl darüber ist nur die Bezeichnung der Stelle am 31.12. des Jahres um 24 Uhr, die gleichzeitig 0 Uhr des 1.1. des folgenden Jahres ist.

Auf einem solchen Zeitstreifen, der auch die Jahre vor Christi aufzeigt, steht die Zahl des Jahres 1 „vor Christi“ neben der Zahl des Jahres 1 „nach Christi“. Das ist ungewohnt. So hat schon 1505 der italienische Astrologe Luca Gaurico die Null in seinen Zeitstrahl eingefügt, weil er darüber nachdachte, ob es Spieglungen der beiden Seiten des Zahlenstrahls, also der Jahre vor Christi und nach Christi in der Astronomie gäbe.

Doch erst durch die astrologischen Tabellen des Jacques Cassini, der 1759 starb, wurde die Null im Zeitstrahl weiteren Kreise bekannt. Jedoch hatte schon Justus Scaliger (1540 -1609) die Julianische Tageszählung entwickelt, die in der Astronomie6 bis heute benutzt wird, um bei bestimmten Fragen genauere Berechnungen anstellen zu können. Denn das Sonnenjahr stimmt bekanntlich nicht genau mit der Anzahl der vollendeten Tage überein, sodass je nach Kalender unterschiedlich häufig Schalttage, also zusätzliche Tage dem Jahr zugerechnet werden müssen. Bei diesen Zufügungen hat man aber nie seit ihrer Einführung spätestens unter Julius Caesar im Jahr 45 vor Chr. die Woche mit ihren sieben aufeinander folgenden Tagen und ihren uns bekannten Namen verändert. So ist die Julianische Tageszählung von Scaliger nicht nur für Astrologen nützlich, sondern auch für Historiker.

Für Astronomen, die in den letzten fast 500 Jahren den Gregorianischen Kalender benutzten, erleichtert ein Jahr „0000“ das Berechnen der Schaltjahre, weil das Jahr vor dem Jahr 1 ein Schaltjahr7 gewesen sein müsste, wenn es den gregorianischen Kalender damals schon gegeben hätte. Dies war aber bekanntlich erst 1552 Jahre später der Fall. Insofern waren die Jahre vorher auch keine Schaltjahre in diesem Sinne und konnten sich die 11 Tage im Laufe der Jahrhunderte ansammeln, die dann 1552 oder bei späterer Einführung dieses Kalenders weggelassen wurden.8

Trotzdem war um das Jahr 2000 herum die Rede davon, dass nun ein Jahr Null eingeführt worden sei.9 Es handelte sich dabei um die Bemühung, international einheitliche Datumsangaben zu beschließen, um die digitale Kommunikation und Verständigung zwischen den verschiedenen Kulturen weltweit zu standardisieren.

Diese ISO Norm 8601 sieht heute die Möglichkeit vor, wenn sich beide Partner des Datenaustausches darauf einigen, den Gregorianischen Kalender von 1552 auch rückwirkend zu benutzen, dafür das Jahr Null einzufügen. Dieses Jahr Null aber ist beim Julianischen Kalender, der zurzeit Jesu schon in Geltung und durch Scaligers Julianische Periode für weitere mehr als 4000 Jahre zurück erstellt worden war, in diesem Zeitraum nicht vorhanden.

Auch entwickelte 1923 der serbischen Geophysiker Milutin Milanković den Neujulianischen Kalender,10 der durch andere Schaltjahre genauer ist als der Gregorianische Kalender, die gegenwärtige 13tägige Differenz zu ihm aufhebt und sich bis 2800 nicht von ihm unterscheidet. Dieser Kalender wird heute von einer ganzen Reihe von Orthodoxen Kirchen benutzt.11 Durch andere Schaltjahre könnte man das Problem also auch lösen und den Julianischen Kalender in dieser Form wieder einführen.

Doch auch ohne diese speziellen astronomischen Probleme zu haben, wird das Jahr Null inzwischen zum Beispiel bei der Umrechnung von Daten vom Jüdischen Kalender und anderer zum Gregorianischen auf der Webseite www.nabkal.de eingefügt.